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AutorenbildAnselm Steiner

Aufdeckung stiller Reserven beim Ansässigkeitswechsel

Aktualisiert: 5. Apr. 2021

Während überall fieberhaft nach Anzeichen zunehmender Normalität und im Verhältnis zu Südafrika nach Öffnungen des Reisemarktes Ausschau gehalten wird, hat sich die Ipsos Global Advisor-Studie «How Much Is the World Yearning for Change After the Covid-19 Crisis?» zwischen dem 21.8. und 4.9. die Sehnsüchte von mehr als 20.000 Befragten aus 28 Ländern vorgenommen. Wie kaum anders zu vermuten war, liegen demnach bei den Erwartungen an die Zeit «danach» die Länder Deutschland und Südafrika an den Antipoden der statistischen Ausprägungsskala. Fast neun von zehn Befragten stimmten in Südafrika im Wunsch nach einem Wandel hin zu einer nachhaltigeren und gerechteren Welt überein. Dem hingegen führt mit 78% Deutschland neben den USA den Reigen jener Länder an, in denen die Sehnsucht der Bürger nach einer Rückkehr zum Zustand quo ante Corona besonders groß ist.


Dass die Rückbesinnung auf die Zeit «davor» in Südafrika nicht gleichermaßen positiv besetzt ist, resultiert sicherlich aus der eklatanten Ungleichverteilung von Ressourcen, Vermögen und Einkommen. Dementsprechend hat der Lockdown auch in Südafrika wiederum nur wenigen und dort den üblichen Verdächtigen genutzt. Wie bereits in der Presidential Speech im vergangenen Juli ausgeführt, sei das vorrangige Problem in Südafrika Korruption und usurpierte Staatsallokationen. Vieles deutete zunächst darauf hin, als handele es sich hier wieder um eines der üblichen Verbalmanöver, um von der Notwendigkeit ernsthafter Reformen und der überfälligen Abkehr von den Corona Restriktionen abzulenken. Doch legte kurze Zeit später der neue Chef-Commissioner der als Körperschaft des öffentlichen Rechts organisierten Steuervollzugsbehörde SARS in einem Interview nach: neben dem systemischen Vollzugsdefizit und Corona-bedingten Steuerausfällen leidet das Land nun vor allem darunter, dass der organisierte Schwarzmarkt in der Zeit des Lockdowns systemrelevante Ausmaße annehmen konnte, durch welche die zunehmende Akzeptanz des Besteuerungssystems sowie die Bemühungen um eine ausgewogenere Steuerkollekte um Jahre zurückgeworfen wurde.

Um dem entgegenzutreten, arbeitet SARS seit einem Jahr nach Aussage von Chef Kiesewetter in speziellen Taskforces unter Einbindung künstlicher Intelligenz über sogenannte «risk engine profiles» an der Zusammenführung von unterschiedlichsten Datenquellen, die auch vor Social-Media nicht halt machen würden. Seit September 2020 heißt für die Massenveranlagung das Zauberwort denn auch «auto-assessment»: durch das automatisierte Veranlagungsverfahren sollen die Ressourcen des Fiskus von Unwesentlichem entlastet werden. Offenbar traut die Veranlagungsbehörde der Kompetenz ihrer eigenen Desk-Officers nicht mehr über die Füße, was als solches bereits ein revolutionärer Erkenntnisgewinn wäre. Schon lang melden Finanzinstitutionen, Versicherungen und Vermögensverwalter für ihre Kunden erwirtschaftete Erträgnisse automatisch an den Zentralcomputer. Das Fiskaljahr 2021 wird das erste, das Arbeitgeber bei Compliance-Verstößen gegen die Lohnsteuerverprobung EMP 501 hart sanktioniert und von dem Anspruch auf Steuererstattungen ausschließt. Warum also sich noch am grauen Counter in die endlosen Schlangen einreihen und widersinnige Nachweise vorlegen, die kein Mehrergebnis bringen, da die Angaben dem Finanzamt eh vorliegen?


Mit den freiwerdenden Kapazitäten wendet sich die Finanzverwaltung zusehends dem Thema Verrechnungspreise international agierender Gesellschaften zu und der Entflechtung bzw. Verstrickung von Steuertatbeständen, die bei Investitionen oder Desinvestitionen aus und nach Südafrika auftreten. Diesen Sachverhalten wird deshalb gerade bei vermögenden Migranten und international agierenden Unternehmern besondere Aufmerksamkeit zu widmen sein, um die Gefahr von steuerlichen Mehrbelastungen rechtzeitig zu erkennen und sich auf die immer komplexeren Anforderungen einzustellen.


Zur Erinnerung: Grundsätzlich gilt bei In- und Desinvestition, dass mit Eintritt in die unbeschränkte Steuerpflicht nach Par 12(2)(a)(i) des 8. Anhangs ITA eine Veräußerung der «mitgebrachten» Wirtschaftsgüter und deren Anschaffung zu Marktwerten fingiert wird. Diese Fiktion schafft für spätere Veräußerungen, unter die auch eine Rückkehr zur beschränkten Steuerpflicht zählt, die Bemessungsgrundlage für die südafrikanische Exit-Tax. Um Steuerausfälle einzudämmen, limitiert der Gesetzgeber allerdings speziell bei «importierten» Assets spätere Veräußerungsverluste, also solche, die nach Eintritt in die unbeschränkte Steuerpflicht eintreten, auf deren historische Anschaffungskosten oder, sollte dieser Wert niedriger sein, auf den Verkaufserlös abzüglich der nachträglichen südafrikanischen Anschaffungskosten. Als weitere Einschränkung verfügt Par 24(3), dass bei einem Totalverlust bezogen auf die historischen, d.h. die ausländischen Anschaffungskosten, der südafrikanische Verlust auf den höheren der beiden folgenden Vergleichswerte begrenzt ist, nämlich entweder den Marktwert zu Eintritt in die unbeschränkte Steuerpflicht oder den Verkaufserlös abzüglich der nachträglichen südafrikanischen Anschaffungskosten. Vereinfacht ausgedrückt: Gewinne sind immer zu versteuern, Verluste nur insofern anrechenbar, als sie in Südafrika entstanden sind und den Betroffenen auch wirtschaftlich belastet haben. Bedenklich bei dieser Art von Steuernationalismus ist er Umstand, dass die Aufgabe der unbeschränkten Steuerpflicht im Herkunftsland bereits regelmäßig zu einer Exit-Besteuerung, also einer wirtschaftlichen Belastung geführt haben könnte. Da eine Anrechnung nur mit Steuern möglich ist, die aus der Zeit nach Eintritt in die unbeschränkte Steuerpflicht entstanden sind, dürfte im Falle nachträglicher Verluste eine echte Doppelbesteuerung vorliegen!


Doch nicht genug. Auch der deutsche Mechanismus der Exit-Besteuerung ist tricky und schert sich nicht um steuerliche Besonderheiten in Südafrika. Sie entsteht vornehmlich durch die Aufdeckung stiller Reserven in Anteilen, die ein deutscher Emigrant innerhalb der letzten 5 Jahre an einer in- oder ausländischen Kapitalgesellschaft gehalten hat. Diese Besteuerung betrifft insbesondere solche Auswanderer, die ihre werthaltige Beteiligung an Familien- oder ihren früheren Produktions- und Beratungsunternehmen nach Wegzug in ein Drittland nicht abstoßen möchten und bei denen ein Formwandel in eine gewerblich tätige Personengesellschaft keine gangbare Alternative darstellt. Achtung: Auch ohne Aufgabe Ihrer deutschen Meldeadresse kann sich die Versteuerung auslösen, nämlich ab dem Moment, wo abkommensrechtlich Ihre Ansässigkeit im Ausland verortet wird (§6 Abs. 1 Nr. 2 AStG).

Hilfreich bei der Abwehrberatung: Lässt sich der Wegzug von Anfang an als nur vorübergehend glaubhaft machen, kann ein Kassensturz bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen entfallen. Allerdings muss die Rückkehr innerhalb von 5 Jahren erfolgen, in besonderen Umständen mit einer weiteren Fristverlängerung von 5 Jahren.

Im Zuge der seit 2019 fälligen Implementierung der europäischen Anti-Steuervermeidungs-Richtlinie (ATAD) ins deutsche Steuerrecht stehen auch Änderungen im AStG an, die zu einer Verlängerung dieser Fristen führen dürften. Allerdings könnte bei dieser Gelegenheit die fristenunabhängige Stundung bei Wegzug ins EU-Ausland gekippt werden – ein mittleres Desaster, sollte sich der EuGH diesem Vorhaben nicht entgegenstellen.

Fazit: Vor einer Auswanderung, egal aus welchem Land oder einer Rückkehr egal in welches, sollten Sie unbedingt die steuerlichen Nebenwirkungen hinsichtlich der jeweiligen Exit-Besteuerung überprüfen.

Ihr Anselm Steiner MA, MSc Taxation, Steuerberater, Master Tax Practitioner (SA) © Steiner Tax Consultants (Pty) Ltd, Cape Town – www.steiner-taxconsultants.com Stand: 10/2020

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